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20.04.2012 von eb , - Artikel

Liebe Verkäufer.

Was einen immer wieder den Kopf schütteln lässt, sind diese Spontanreaktionen mit unmittelbar folgendem Griff aus der Klischeekiste rhetorischer Regelkreisläufe. Wenn man sich über den Zustand mokiert, dass diese sogenannte Moderne es offenbar darauf anlegt, - jeden zum Verkäufer zu machen, - kann zumindest unsereiner, mittlerweile auf eine nicht unerhebliche Anzahl des unmittelbar darauf folgenden Schmetterns der Frage verweisen; "Hast du was gegen Verkäufer?".

Das auffällige dabei ist, dass der größte Teil dieser Fragesteller rein beruflich gesehen, - eigentlich gar keine Verkäufer sind. Was nur die irritierende Vermutung zu lässt, dass sie es trotzdem bereits schon wurden, - und der Grund meines Einwandes eigentlich berechtigt wäre. In den Fällen, wo der Fragesteller dann tatsächlich zur Garde der Berufs-Verkäufer zählt, könnte ich Verdruss bezüglich möglicher Aversionen gegen diesen Berufsstand absolut verstehen, - aber auch hier, - scheint man nicht mehr zwischen Beruf und gesellschaftsweiter Berufung unterscheiden zu wollen. Deshalb, - werde ich wohl nochmals meine eigenen Ansichten darüber versuchen müssen, - zu verkauf... äh, - zu erläutern.

Wie rottet man am erfolgreichsten und effektivsten einen ganzen Berufsstand aus? Man macht entweder alle dazu, - oder alle fühlen sich dazu fähig, - und machen es selber. Warum kämpft z.B. das Handwerk so vehement um jeden möglichen Auftrag? Weil jeder mittlerweile in den Baumarkt rennt und glaubt er ist Universagenie genug, um auf jede ihm selber berufsfremde Erfahrung und Kentnisse verzichten zu können. Hand auf's Herz. Wer davon ist tatsächlich ein guter Handwerker? Ich z.B. auf gar keinen Fall. Und wenn ich mir alleine schon in unmittelbarer Umgebung die Kunstwerke der "Do-it-yourself"-Adepten so ansehe, dann überfällt mich nicht gerade wenig Unruhe. In einigen Fällen sogar ernsthafte Nervosität. Ganz besonders, wenn man mal den einen oder anderen Selbstverleger von elektrischen Leitungen, - kreidebleich, noch mit der blitzschnell ausgedrückten Kippe im Mund und der Hilti im Schoß, - vor der gerade durch-gebohrten Gasleitung im Mauerwerk vorfindet.

Aber ich rede ja nicht vom Handwerk, - sondern vom Verkauf. Doch so ein gewaltiger Unterschied, besteht da jetzt auch nicht unbedingt. Mittlerweile ist es z.B. gang und gäbe, dass man von jedem der irgendwie in der Entwicklung tätig ist, - erwartet, dass er seine Ideen und Vorschläge; "verkauft". Das heißt, er muss sie innerhalb des eigenen Angestelltenverhältnisses im bestmöglichen Licht darstellen, aufbereiten und mitunter selber darum kämpfen, - zu versuchen das Ding durch zu bringen. Ist dies seine Arbeit? Ist z.B. ein Ingenieur Verkäufer? Ein Elektroniker,- oder auch ein Manager? Ein Wissenschaftler gar? Von Künstlern wird sogar erwartet, dass sie sich selber wie ein Produkt, mit Legende und Markenkern präsentieren. Bei manchen davon, kann man allzu oft nicht mehr trennen, welches nun das wirkliche Kunstwerk ist, - das Werk welches sie verkaufen möchten oder sie selber. Ist es das, - was diese Menschen anstreben? Von Autoren, - selbst von denen, welche bei einem großen Verlag in Vertrag stehen, wird ebenfalls eine geradezu grandiose Mitbeteiligung am eigenen verkaufsfördernden Marketing erwartet. Ist dies ihr Job? Wird man selber auf Jobsuche vor-stellig, hört man mit Sicherheit zumindest von irgendwelchen Agenturen bzw. deren Beratern den Satz, - "verkauf dich aber gut". Wenn es mies läuft, - kann es durchaus sein, dass von Personalerseite der Einwand kommt, - "der kann sich nicht gut verkaufen." Selber schon von, - mit menschlichen Ressourcen hantierenden Entscheidungsträgern gehört. Ja, selbst von Schülern, Auszubildenden, Studenten und sogar von Kindern, wird an unzähligen Stellen Verkaufstalent erwartet. Und formt dies auch in entsprechende Worte wie z.B. "Sich", oder "es" gekonnt zu verkaufen.

Was passiert innerhalb dieser Mentalität, - wenn sich z.B. ein guter Handwerker, der aber ein schlechter Verkäufer ist, - in Konkurrenz mit einem schlechten Handwerker steht, - der sich aber gut verkaufen kann? Soll dies etwa dieser dubiose Wettbewerb sein, - von dem immer geschwafelt wird? Das logische Resultat dahinter, müsste auch dem einfachsten Gemüt bewusst werden. Weshalb ich die anfangs erwähnte Frage, als Antwort auf meine Kritik am verlangten Verkaufsgedröhn von jedem, - von beiden möglichen Seiten einfach nicht nachvollziehen kann. Die einen, verlieren dabei nicht nur ihre eigene tatsächliche Berufung dabei, sondern verkaufen diese sogar noch an die besseren Verkäufer. Die anderen, welche der Tätigkeit des Verkaufs aufgrund einer wirklich damit zusammenhängenden Ausbildung frönen, machen eigentlich das Gleiche. Sie verkaufen dabei auf wirklich effektive Art, - die Basis für ihren eigenen Beruf. Und nicht wenige davon, haben dies sogar so auf die Spitze getrieben, dass sie die Welt mit Ratgebern, Kursen und sonstigen Anleitungen zum optimalen Verkauf bzw. Selbst-Profilierung überflutet haben. Dies entspricht in etwa einem Schreiner, der seinem Kunden das Schreinern bei bringt, - und sich dann wundert, dass der danach keinen Bedarf mehr am Schreiner hat.

Deshalb nochmals zum Mitschreiben; Liebe Verkäufer. Und damit meine ich auf keinen Fall alle. Sondern lediglich diejenigen, welche dieser Tätigkeit auch wirklich aus beruflichen Gründen nachgehen, - nicht aufgrund von zwangsweise nebenberuflichen oder selbstständigen Zusatzanforderungen. Ich habe nichts gegen euch. Ich habe lediglich etwas dagegen, dass alle dazu werden und dies fast schon automatisch erwartet wird. Mir geht es lediglich um sinnvolle Verhältnismäßigkeiten im Hier und Jetzt. Um Verhältnismäßigkeiten, bei denen alle mit aufpassen müssen, damit sie nicht verlassen werden. Also eigentlich um die; "Mitte", von welcher sich die; "Mittigen", schon so unverhältnismäßig weit entfernt haben, dass sie dies bereits schon als normal empfinden. Unsereiner gehört auch nicht zu den Leuten, welche dieser; "Ich erkläre die Welt mit einem Wort" - Mentalität zugetan ist, - in der blitzschnell mal Worte wie Kommunismus oder Kapitalismus fallen. Jedes System, endet bei fortschreitenden Unverhältnismäßigkeiten letztendlich immer in Inhumanitäten. Dies liegt bereits schon in der einfachsten Logik und Nomenklatur des Systemdenkens und auch der Systemtheorie selber begraben. Was nicht bedeuten muss, dass Systemsichten als theoretisches Handwerkszeug keinen Sinn machen. Aber eben auch kein Grund ist, gleich alle zu Systemelementen zu deklassieren und auch genau so zu kalkulieren. Die Geschichte vom; "ehrlichen Verkäufer", ist genau so ein Jahrtausendwitz, wie der Glaube an den absolut; "ehrlichen Menschen", das "perfekte System", das optimal; "rationalisierte Denken", oder gar die "ultimative Vernunft".

So etwas wie eine größere Schuld bei den professionellen Verkäufern zu suchen, wäre zudem auch nicht fair. In den 80igern, waren z.B. Zusammenarbeiten zwischen Entwicklung und Verkauf bei Selbstständigen, im Durchschnitt durch das Verhältnis von 80 zu 20 zugunsten der Entwickler geprägt. Bereits in den 90igern, kehrte sich dieses Verhältnis einfach herum, - und die Verkäufer bekamen den Löwenanteil. Ehrliche anständige Zusammenarbeiten auf fifty-fifty Basis, waren zu allen Zeiten die Ausnahme. Was natürlich, nach der Umkehrung der Beteiligungsverhältnisse, auch viele Entwickler dazu verführt hat, selber den Verkäufer zu spielen und es sogar noch schlimmer zu treiben. Ganz besonders auffällige Häufungen des Subunternehmertums bei selbstständigen Kleinunternehmen, Ende der 90iger, reden eine deutliche Sprache über den Wunsch; bei möglichst geringem Eigenaufwand durch die Arbeit anderer, mächtig Profit zu schaufeln. Manche Projekte bestachen geradezu, durch eine grandiose Sub-Sub-Sub-Sub .... - Zwischenhandelskette von kleinen Entwicklerunternehmen, - bei welcher der Letzte, am Ende der Fahnenstange dann die gesamte Arbeit machte, - und kaum noch etwas dafür bekam. Dies nur als Beispiel dafür, dass ich Profitsucht nicht als eine spezielle Eigenart von Berufsverkäufern sehe. Tatsächlich sehe ich es eher so, dass hier bequeme Nachahmer von erfolgreicher Ausbeutung auf den Plan getreten sind, anstatt die anfängliche Selbstüberschätzung von Verkäufern genauso in die verhältnismäßigen Schranken zu weisen, wie dies die Verkäufer ursprünglich mal bei den Entwicklern gemacht hatten.

Und danach, ist die Überbewertung des Verkäufertums, anscheinend vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Ganz besonders durch so Sales-Mentalitäten wie Gerhard Schröders Bertelsmania, ökologisch-ökonomischen Businessfreaks, einer sowieso traditionellen christlichen Händlerseele, - mit folgender Krönung durch in Marketing vernarrte Apple-Fans, - bei denen noch die Nachwehen einer New-Economy unter Piratenflagge im Gedärm kreuzt. Ohne dabei zu sehen, dass schon Schröders fehlendes Zeitgefühl dabei Schiffbruch erlitten hatte. Zum Ganzen gehört somit auch, dass sich alle wie die Irren fragen, woher denn so etwas wie Politikverdrossenheit kommt. Und dies, - während nebenher sich ihre Politiker wie die besseren Verkäufer aufführen. Und mit PR-Strategien und einer Marketing-Rhetorik glänzen, als wäre die Welt ein einziger Gemischtwarenladen, - in dessen Regalen die Menschen als Produkte oder Ressourcen gestapelt sind, welche sich zudem noch gefälligst selber zu verkaufen haben. Zu wem hätte ich wohl mehr Vertrauen? Zu Politikern, - oder Verkäufern? Keinem Verkäufer fehlt das Wissen darum, wie man Werbe-, PR-, und Verkaufsstrategien bastelt. Und wenn alle zu Verkäufern werden sollen, - was dann? Da von Politikverdrossenheit zu reden, löst bei mir doch erhebliche Heiterkeit aus. Warum soll ein Verkäufer, dem anderen unbedingt was abkaufen, wenn er genau weiß, wie der Hase läuft? Also, - liebe Berufsverkäufer. Ich habe gar nichts gegen euch. So mancher Gebrauchtwagenhändler ist mir sogar sympathisch. Bei ihm weiß ich wenigstens, dass es sein Job ist, - mich übers Ohr zu hauen. Aber muss das gleich zur Weltphilosophie erklärt werden? ?


Kommentare:


epikur Uhrzeit 24.4.2012 10:22:28

Sehr gut beschrieben!

Die zwanghafte Verkaufsmentalität führt dazu, alles und jeden nach marktwirtschaftlich verwertbaren Kriterien zu messen. Was nicht irgendwie verkauft werden kann, wo es keine Nachfrage gibt, ist alles wertloser Tand. Kein Wunder, dass die philosophischen Fakultäten bundesweit radikal gekürzt werden, denn sie können kaum Drittmittel einwerben.

Was zählt ist Nutzklugheit und Marktintelligenz. Längst geht es nicht mehr darum, etwas wirklich gut zu können, sondern sich nur gut darzustellen, ein gutes Image zu haben, sich "gut verkaufen" zu können. Die Fähigkeit haben, ein Bild von sich zu konstruieren und nicht sich selbst sein ist angesagt. Heraus kommt eine armselig deformierte Gesellschaft.


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